Niedlich Schörmäni

 

Es trafen sich die Pegida-Rentner-Combo Dresden und die machtvolle Protestbewegung „Wie mache ich meinen Wahlzettel ungültig“ zum Vereinigungsparteitag. Einziger Tagesordnungspunkt: Vereinigung allen Protestes zur Partei „Wir sind das Volk®“ (WSV).

 

Der Parteigründer i. G. wurde von atlantischen Inseln eingeflogen. Bereits am Flughafen wurde seine Ankunft ekstatisch begrüßt, brachte er nun mal einen Koffer Sonne mit.

 

Aber der Reihe nach.

 

Nach Klärung einiger Verfahrensfragen durch den Versammlungsführer trat der Parteigründer i. G. braungebrannt an das Rednerpult. Nachdem sich der minutenlange Beifall gelegt hatte, begann er.

 

„Ich schätze mich glücklich, von so viel Ratten wie euch umgeben zu sein. Ja, ihr habt richtig gehört, Ratten. Ihr seid laut eines Innenminister Ratten. Er betitelt alle Mitglieder des Orgateams von Pegida öffentlich als Rattenfänger, und somit sind die Leute die heute hier unserem Aufruf gefolgt sind, Ratten.

 

Und damit sind wir schon beim ersten aktuellen Thema. Pegida wächst, ja unser Vorbild hat viele inspiriert und die Medien haben es nicht geschafft, mit ihrer gezielten Diffamierung und Diskreditierung, insbesondere meiner Person, diese Entwicklung aufzuhalten.

 

Ich will die Zeit nutzen, auf einige Fragen einzugehen, die am häufigsten gestellt werden. Da wäre zum ersten, die Frage, was wollen sie eigentlich?

 

Nun Pegida will ganz einfach, dass die vom Volk gewählten Politiker endlich wieder zuhören und sich der wirklichen Probleme annehmen.

 

Ganz abgesehen von der unsäglichen Asylpolitik unserer Bundesregierung haben wir nämlich noch weitere Fragen.

 

Was ist mit der Versorgung unserer Alten? Es gibt Rentner, die ihr Leben lang gearbeitet haben, und sich an Weihnachten trotzdem kaum ein Stück Stollen leisten können. Die in kalten Wohnungen sitzen oder keinen Strom haben.

 

Es gibt in unserem Land Mütter, die ihren Kindern nichts zum Fest der Liebe schenken können, da die finanziellen Mittel fehlen.

 

Es gibt Menschen in unserem Land, die auf der Straße leben müssen, und nicht genug zu essen haben. Für diese werden keine Heime eingerichtet, geschweige denn über eine dezentrale Unterbringung mit Vollausstattung diskutiert.

 

Anstatt solche Probleme anzugehen, wird über unsere Sprache diskutiert.

 

Liebe Politiker, diese unsägliche Genderisierung unserer schönen blumigen, deutschen Sprache interessiert, mit Verlaub gesagt, keine Sau. Unter solchen Bedingungen wären weder Faust, noch die Buddenbrooks entstanden. Goethe, Schiller, die Gebrüder Mann usw., sie alle würden uns, sorry für meine Wortwahl, für bekloppt erklären, ob der Vergewaltigung unserer Sprache.

 

Ich bleibe gleich beim Thema, und komme zur zweithäufigst gestellten Frage. Wo sehen sie die angebliche Islamisierung in unserer Gesellschaft?“

 

Der Führer stellte sich in seiner Eröffnungsrede vielen Fragen der Vereinigungskräfte. Immer wieder vom Applaus der Anwesenden unterbrochen.

Dann führte er aus.

 

„Liebe Freunde, wiederholt werde ich verleumdet, ich würde euer Spendengeld auf meiner atlantischen Insel verprassen. Seht,“ er zeigte auf die Videowand, „seht,, das ist mein doch eher karges Zuhause. Hier finde ich die Ruhe, um euch mit Rat und Tat beistehen und führen zu können. Hier ist der Ort, der neuen Partei programmatisch voran zu gehen.“

 

Minutenlanger Beifall der Anwesenden zeigte deren Ergriffenheit.

 

„Nun abschließend.

 

Ich schlage vor, die neue Partei nicht WSV zu nennen. Dieses Kürzel ist bereits belegt, es assoziiert zu sehr den Winterschlussverkauf. Fügen wir ein „d“ ein, WSdV. Wofür dieser kleine Buchstabe stehen kann, ist historisch ja erwiesen.“ Er untermalte seine Worte mit einem Augenzwinkern und zwei Fingern unterhalb der Nase.

 

„Liebe Freunde, leider kann ich nicht die ganze Zeit hier anwesend sein. Die Pflicht erfordert es, mich vollkommen und allumfassend in die neue Partei einzubringen. Und dies kann ich nur, wenn ich mir die dazu benötigte Kraft in meinem schlichten Zuhause hole. Aber eins sei von mir noch gesagt: ich bin bereit, der neuen Partei WSdV als Führer voran zu stehen. Gemeinsam werden wir siegen.“

 

Sprach’s und verließ unter wahren Ovationen das Podium.

 

Der Versammlungsführer hatte schwer zu tun, eine schöpferische Atmosphäre wieder herzustellen. So rief er den nächsten Redner auf die Bühne.

 

Forschen Schrittes betrat ein Mann die Bühne. Seine namentliche Vorstellung fiel einer Übersteuerung der Tontechnik zum Opfer. Davon nicht beeindruckt, stellte der Mann sich ans Rednerpult, legte seinen Hut akkurat dort ab und begann.

 

„Liebe Freundinnen und Freunde, ich wurde von meinem Gesprächskreis und vielen Bekannten aufgefordert, hier unsere Solidarität zum Ausdruck zu bringen. Hier“ und er reckte seine rechte Hand mit viel Papier den Vereinigungsdelegierten entgegen, „hier sind die Grußbotschaften meiner Freundinnen und Freunde an euch hier im Saal.“ Er begann zu blättern und verlas einige Namen: Jan R., Gabriel W., Erika, Werner, Kurt, P.N. ein Kundenberater, W. Meyer.“

 

Der Redner blätterte weiter in seinen Unterlagen und murmelte „anonym, anonym, anonym“ und hielt dann inne.

 

„Hier, liebe Freundinnen und Freunde, noch eine bemerkenswerte Wortmeldung von meinem Freund Klaus B.“

 

„Einen Vorschlag habe ich und da spreche ich aus persönlichen Erfahrungen.

Das schlimmste was einem passieren kann ist die Konfrontation mit seinem unmittelbaren Umfeld. Dass kann die Familie sein, aber auch das Wohnumfeld, wo man sich kennt. Die xyz-Straße in vielen Städten, mit seiner Struktur des Siedlungscharakters bietet sich doch an, dass Umfeld der Gegner unserer Bewegung mit Postwurfsendungen über ihre Mitbewohner zu informieren.

 

Ich möchte das nur als Denkanstoß geben. Wir haben damals mit so einer Aktion, einem unliebsamen Zeitgenossen eindeutig seine Grenzen aufgezeigt und hatten danach unsere Ruhe.“

 

„Ich danke Klaus für den Denkabstoß,“ fuhr der Mann fort. „Interessant ist auch die Kontaktaufnahme mit Familienangehörigen. Meine Vorgehensweise wird Schritt für Schritt sein und wird abgestimmt, ohne Wasserstandsmeldungen zu veröffentlichen.

 

So, liebe Freundinnen und Freunde. Ich sage das alles bewusst, obwohl ich mal überzeugter Wähler der SPD gewesen bin: die Altparteien haben ausgedient, setzen wir eine neue Kraft dagegen, die WSV. Glück auf.“

 

Frenetischer Applaus begleitete den Abgang des Mannes.

 

Allein die Ankündigung des Nachfolgenden verursachte einen Sturm der Begeisterung unter den Gründungsdelegierten. Mit dem rechten Arm winkend schritt er, Herr H., zum Rednerpult. Der aufmerksame Beobachter konnte sehen, so mancher der Anwesenden musste sich zurück halten, um nicht mit einem ausgestreckten Arm diesen Mann zu begrüßen.

 

Herr H. begrüßt die  Zuhörer im Saal mit den Worten, er sei stolz, "zu Gast bei der erfolgreichsten Parteineugründung in der Geschichte der BRD" zu sein. Schnell ist Herr H. bei seinem Lieblingsthema, dem Terror. Dass Deutschland einerseits Flüchtlingen hilft und andererseits Maßnahmen gegen islamistischen Terror ergreift, vergleicht Herr H. mit einem Bauer, der sein Feld bestellt und absichtlich Unkrautsamen legt, um diesen dann mit Glyphosat zu bekämpfen.

 

Mit wissenschaftlichen Einlassungen begründet er, warum die Deutschen endlich wieder Herr im eigenen Haus werden müssen.

 

Die Gründungsdelegierten lasen ihm jedes Wort von den Lippen ab, wollten sie nun mal zu gerne Argumentationen für die Herrschaft der Herrenrasse in Schörmani hören.

 

Auch der Herr H. wurde begeistert nach seinem Vortrag entlassen. Die Ovationen wurden erst nach einiger Zeit beendet.

 

Die Rednerliste fand seine Fortsetzung.

 

Eine Frau im fortgeschrittenen reifen Alter begab sich etwas schwerfällig ans Rednerpult.

 

„Gen…, äh, Widerstandskämpfer. Seit meiner frühesten Jugend kämpfte ich gegen die Adenauerdiktatur und deren Hinterlassenschaften. Dieser Kampf erforderte meine ganze Kraft. Wir protestierten gegen Fahrpreiserhöhungen, gegen die Atomkraft, stellten uns mutig den Provokationen durch den Verfassungsschutz entgegen und weiteten den Kampf für ein gerechtes Leben in die kapitalistischen Ausbeuterfirmen aus.

 

Deshalb ist es mir ein Bedürfnis, mich euch anzuschließen. Dabei wird mir mein Ehemann,“ sie zeigte auf den leeren Platz neben sich, „helfend zur Seite stehen. Er geht für uns einkaufen und bereitet die schönsten Abendessen für uns beide zu.“

 

Da sind die Anwesenden doch sehr irritiert; der Platz links und rechts neben der Frau war frei. Nichts zu sehen. Als sie aber mit den Worten „Wir sind alle Widerstandskämpfer. Stehen wir Seit‘ an Seit‘!“ abschloss, wurde ihr Abgang mit mitfühlendem Applaus begleitet.

 

Als nächster Redner betrat ein etwas jüngerer Mann die Bühne. Er hielt seine Rede in einem schweren sächsischen Dialekt. Hier geht der Dank an das Livestream-Team, das umgehend seine Rede mit Untertiteln versah, es konnte jeder auf der Videowand die Botschaft verfolgen.

 

Der junge Mann sprach über seine Motivation, dieser Partei WSdV beizutreten. Er suche eine Frau, die er trotz regelmäßiger Teilnahme an den Pegida-Spaziergängen nicht fand. Der freundliche Beifall machte ihm bei seinem Abgang Mut.

 

Der Versammlungsführer hatte die Befürchtung, die Gründungsversammlung rutscht nun doch sehr ins Private ab und er beendete die Diskussion. Da kam ihm eine Videoschaltung zum Parteigründer zupass.

 

Der grüßte aus dem Flugzeug und erinnerte vor den Wahlvorgängen noch einmal intensiv an die Motti der WSdV, indem er einen ihm zugesandten Post verlas:

 

„Wir sind die Opfer des staatlichen Terrors. Wir sind die Guten!“ und zitierte einem ihm zugesandten Post: „Hundekot ist noch zu gut für die. Jedem deutschen Kind einen Zimmermannshammer kaufen und wenn Dreck-Kinder kommen, sofort mit der Spitze in den Schädel schlagen. Sind ja strafunmündig. Gott sei Dank kommen ja bald Zeiten, in denen aufgeräumt wird. Dann bestimmt ein Deutschland und sie werden ausgerottet.“

 

„Ihr seht, Kameraden,“ so der Parteiführer „Schörmani versteht unsere Botschaften. Bilden wir, die WSdV, die Spitze des Protestes!“

 

Tosender Applaus.

 

Die Gründungsdelegierten wurden schon etwas müde, stürmten doch derart viele Impressionen auf sie ein. Der Versammlungsführer erkannte es und trug dem Rechnung.

 

Der Parteiführer i. G. wurde einstimmig zum Parteiführer der WSdV gewählt und beauftragt, ein Parteistatut zu erarbeiten. Alle organisatorischen Notwendigkeiten wurden vertrauensvoll in seine Hände gelegt, die da waren Kontoführung, Anmeldeprozedere usw.

 

Zufrieden und auch erleichtert, ausgestattet mit unsäglichem Elan, verabschiedete der Versammlungsführer die Gründungsdelegierten.

 

Schörmäni ist niedlich, gelle?

 

 

 

Anmerkung:

Trotz aufmerksamer Redaktion kann so mancher Fauxpas orthographischer und/oder grammatikalischer Art in Zitierungen übersehen worden. Ich bitte um Nachsicht.

 

 

Quellen: