Mein Termin im Bundeskanzleramt

 

 

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

 

ich möchte mich bei Ihnen herzlich bedanken, dass Sie mir Ihre Aufmerksamkeit schenken. Ich kann Ihnen versichern, ich werde Sie nicht enttäuschen, Sie werden mir Ihre sehr kostbare Zeit nicht umsonst mir gewidmet haben.

 

Sie ersehen aus dem Ihnen bereits vor einigen Tagen zugegangenem Hand Out, welchen Vorschlag ich Ihnen unterbreiten möchte.

 

Mein Ziel ist es, Ihnen aufzuzeigen, wie Sie die Bundesregierung einer fast vollständigen Privatisierung zuführen können. Ihre Minister und Ministerinnen bleiben Minister im Titel, werden aber ihres Geschäfts und der damit verbundenen Verantwortung zu großen Teilen entledigt sein. Großartige Fortbildungsmaßnahmen oder Umschulungen bezüglich der Tätigkeitsbereiche wären dabei nicht im geringsten vonnöten.

 

Allein meine, zugeben, sehr vereinfachte, da mir zu diesem Zeitpunkt die detaillierten Daten nicht zur Verfügung standen, Kosten-Nutzen-Rechnung, zeigt Ihnen ein immenses Potential der Einsparung und der Erhöhung der Staatseinnahmen auf. Aber dazu später, im Laufe meines Vortrags.

 

Wollen wir beginnen, Frau Bundeskanzlerin? Der Vorworte sind genug gewechselt.

 

Dafür möchte ich Sie bitten, Seite zwei meines Hand Outs aufzuschlagen.

 

Ich beginne mit dem Gesundheitsministerium, dem Schwarzen Peter unter all Ihren Ministerien. An Hand dieses Beispiels kann ich Ihnen am Anschaulichsten meine innovative Idee präsentieren.

 

Nach dem ich und meine Mitarbeiter dieses Ministerium einer ersten Analyse des Ist-Zustandes unterzogen haben, kommen wir übereinstimmend zu der Einschätzung, Ansätze zur Privatisierung sind sehr wohl zu erkennen.

 

Die verschiedensten Interessenverbände, wie die der privaten und gesetzlichen Versicherungen, der Pharmaindustrie, der Ärzte, der Krankenhausbetreiber, der Apotheker und die der Rechtsanwälte, haben die Möglichkeiten ihrer Einflussnahme bereits vor Jahren erkannt und diese optimal ausgebaut.

 

Missgestimmte und nicht Wohlwollende bezeichnen dies mit dem unschönen Wort Lobbyismus. Hier profitieren Einzelne aus dem Beamtenapparat und dem Abgeordnetenpool.

 

Unsummen aus dem Staatssäckel sind erforderlich, ich vermute, die sich im gesundem ( ein bezeichnendes Wortspiel, nicht wahr) Milliardenbereich bewegen, um bereits jetzt ausgelagerte Gutachten, Gesetzestexte erstellen zu lassen.

 

Das ist die derzeitige Realität.

 

Ich und mein Team schlagen Ihnen, sehr verehrte Frau Bundeskanzlerin nun vor, alle Kernaufgaben des Ministeriums dorthin auszulagern, wohin sie im Grundsatz gehören, zu den Interessenverbände.

 

Die stehen doch schon bereit, haben sich in den vergangenen Jahren diesbezüglich schon beweisen können. Sie verfügen ergo über das entsprechende Know How.

 

Frau Bundeskanzlerin, Sie erkennen die Richtung meiner Gedanken und die damit verbundenen Vorteile?

 

Ich fasse diese an dieser Stelle einmal zusammen. In Kurzform erscheinen sie auf Seite vier des Hand Outs.

 

1.    Es entfallen im Prinzip ab sofort die derzeit gezahlten Unsummen aus den Honorarvereinbarungen mit den Interessenverbänden.

 

2.    Der Staat lässt sich für dieses Outsourcing bezahlen. Die Interessenverbände sind doch daran höchst interessiert, Vorlagen mit Gesetzeskraft zu deren Gewinnmaximierung zu erstellen. Deren zu erwartender Gewinn in unvorstellbarer Höhe erfordert natürlich eine angemessene Honorierung an die, die es ihnen ermöglichen; das sind Sie, Frau Bundeskanzlerin, Ihre Regierung, somit im erweiterten Sinne der Staat.

 

3.    Der überwiegende Teil des Beamtenapparates, wir gehen von mindestens 90 Prozent aus, wird freigestellt, suspendiert. Die daraus entstehenden Kosten sind aber absolut und vollkommen überschaubar, sie sind zu Fixkosten geworden. Dazu kommt noch, nennen wir es eine biologische Entwicklung, werden diese Kosten immer geringer.

 

Sehr verehrte Frau Bundeskanzlerin, verstehen Sie nun, was ich eingangs mit dem Einsparungspotential und der Erhöhung der Staatseinnahmen meinte? Es bedarf keines Taschenrechners, um die monitären Vorteile in einem ersten Überschlag zu sehen.

 

Unter diesen Prämissen stehen ich und mein Team bereit, jedes Ihrer Ministerien umzugestalten.

 

Nun, zu guter Letzt, Frau Bundeskanzlerin, widme ich mich dem Abgeordnetenhaus. Seite sechs, bitte.

 

Bereits jetzt schuf sich die Mehrheit der Abgeordneten ein doch erkleckliches Zweit- und Dritteinkommen. Ganz abgesehen von der kostenlosen Fahrbereitschaft und dem zur Verfügung stehenden Fuhrpark. Wobei man die Deutsche Bahn dabei nicht außer acht lassen sollte, deren weitere Privatisierungspläne dabei ebenfalls unterstützt würden.

 

Da ergibt sich für mich nun die logische Konsequenz, warum werden die Diäten noch aus dem Staatssäckel beglichen? Jeder Abgeordnete sollte auch für dieses Ersteinkommen selbst verantwortlich. Zugegeben, gewisse Hindernisse, wie der Amtseid, müssen dazu aus dem Weg geräumt werden.

 

Aber, sehr verehrte Frau Bundeskanzlerin, Sie werden mir doch Recht geben, an dieser Hürde wird mitnichten eine Umgestaltung des Abgeordnetenhauses scheitern.

 

Was verändert sich denn für die Abgeordneten? Rein gar nichts. Besser noch, Sie, Frau Bundeskanzlerin, bringen endlich die Realität mit einer, zwar gutgemeinten, aber doch utopischen Vorstellung von Demokratie in Einklang.

 

Abschließend, Frau Bundeskanzlerin, sehe ich, Sie haben mich und meine vorwärtsschauende Idee verstanden. Sehe ich richtig, Sie finden in einer ersten Einblicknahme sogar Gefallen daran?

 

Ich und mein Team stehen Ihnen allzu gerne zur Seite.

 

Wann können wir beginnen?