Nach einem langen Tagesmarsch, ruhte sich Wanda in einem Park auf einer Bank. Unweit von ihr nahm sie eine Handvoll Frauen wahr, die einer anderen begeisterte Rufe zuwarfen. Diese Rednerin stand auf einer Kiste und nutzte „Speaker’s Corner“ für ihre Verkündigungen.

 

Wanda betrachtete diese Rednerin näher und sie erinnerte sich; die Rednerin galt einst als eine Frauen-Ikone. Ja, viel Zeit ist seitdem ins Land gegangen.

 

 

Vor vielen, vielen Jahren stellte sich eine Frau, zugegeben, von der Natur etwas benachteiligt, vor ihre Genossinnen und formulierte deren Ansprüche und Wünsche.

 

Da sie in den machogesteuerten Medien kein Gehör fand, gründete sie ihr eigenes Sprachrohr.

 

Die Frauen sahen mit Wohlgefallen, dass sich endlich jemand vor sie stellte, ihre Nöte in Worte fasste und jubelten ihr vielfältig zu.

 

Die Jahre zogen ins Land. Langsam wurde diese Frauen-Ikone älter, erste Falten stellten sich auch bei ihr ein und sie geriet ins Hintertreffen.

 

Da erschütterte ein widerliches Ereignis dieses Land, das sich wie ein Sturm im Lande verbreitete.  Es wurde ruchbar, Kinder wurden über Generationen hinweg misshandelt, geschändet. Voller Entsetzen und getrieben von Ekel fand sie keine Worte der Verurteilung dieser Schandtaten. Niemand vernahm ihre sehr markante Stimme.

 

Wacker suchte sie einen Ausweg aus ihrer Sprachlosigkeit und fand in einem Medium mit vielen, vielen großen schwarzen Lettern eine Projektionsmöglichkeit. Zugegeben, ihre dort festgehaltenen Beschreibungen wurden mit einem kräftigen Salär entlohnt.

 

Auf der Suche nach weiteren Themen, die Quelle des Geldflusses sollte mitnichten versiegen, wurde ihr ein Mann auf dem Tablett präsentiert, der es doch, wie unanständig und für alle Frauen herabwürdigend, mit unzähligen Frauen trieb und dies in unbeschreiblichster Art und Weise. Nun hatte eine der Gespielinnen  bei diesem Mann ausgedient und sie suchte Wege einer arttypischen Rache. Er muss für die ihr angetane Schmach bezahlen.

 

Eine Verbündete, die Frauen-Ikone, stand ihr umgehend hilfreich zur Seite. Mutig benannte die Ikone jeden sexuellen Akt als eine Vergewaltigung, offenbarte die Ursache dieser Gewalttat: das männliche Geschlecht.

 

Voller Befriedigung verfolgte sie die sich nun entwickelnden Ereignisse, beobachtete gar die Börsenkurse und konnte sehen, wie sich durch widerliche sexuelle männliche Taten sogar die Aktienverläufe beeinflussen ließen.

 

Ihr neuentfachter Kampfeseifer machte sie blind für das mitleidig und peinlich berührte Augensenken ihrer freiwilligen und unfreiwilligen Zuhörer.

 

Nein, blind vor Sendungsbewusstsein, glättete ein wohlwollendes und zufriedenes Lächeln ihre Runzeln. Wofür sie Zeit ihres Lebens einstand, fand endlich seinen von ihr gewollten und propagierten Erfolg und ließ sie voller Inbrunst und lauthals, wenn auch jetzt mit alterszittriger Stimme, ausrufen: Nieder mit den Männer, die Welt darf nur noch aus dem wahren und reinen Geschlecht bestehen, den Frauen!

 

Der Frauen-Ikone unverständlich war, dass es doch noch immer eine große Zahl von Artgenossinnen gab, die auf ihre Botschaften nicht nur nicht reagierten, sondern sogar Paroli boten und ihr einen Spiegel vor Augen hielten.

 

Voller Entsetzen sah sie ihr Konterfei. Was sich ihr widerspiegelte, war eine alte vergessene Frau, an der die Geschehnisse der Zeit, trotz aller Gegensteuerung, vorbei gelaufen sind. Ihr Kampf wider des Vergessens war erfolglos.

 

 

Kopfschüttelnd setzte Wanda ihre Wanderung fort.