Die Klugheit des Fuchses

 

wird oft überschätzt, weil man ihm auch noch die Dummheit der Hühner als Verdienst anrechnet. (Hans Kasper)

 

Da gackerten seit Monaten die Hühner. Kein Portal, kein Blatt Papier, kein Mikrofon und keine Kamera war vor ihnen sicher. Wohlversorgt,  richteten sie lauthals in Richtung Nachbarhöfe ihre Lobgesänge  über die Klugheit des Fuchses. Standen sie doch unter seinem Schutz.

 

Vor einiger Zeit haben die Hühner mit dem Fuchs einen Pakt geschlossen. Sie, die Hühner, werden jede Tat des Fuchses lobpreisen und der ganzen Welt kundtun. Im Gegenzug werde er, der Fuchs, diesen Hühnerhof nicht schädigen. Ja, er, der Fuchs, wäre sogar willens, das Wohlverhalten der Hühner zu honorieren, indem er sie gewähren lässt. So böte er, der Fuchs, den Hühnern eine Bühne der Selbstdarstellung.

 

Gesagt, getan und der Pakt wurde wirksam.

 

Der Fuchs war sehr schlau. Er hatte einen Platz außerhalb seines Reviers gefunden, der ihm zu dessen Erweiterung sehr dienlich sein sollte. Seinem Großvater und dessen Großvater regierten über ein unermesslich  größeres Revier. Durch viele verlorene Kämpfe seines Vaters wurde er auf ein nun kleines Stück Erde zurückgedrängt. Es war sein Lebensziel, diesen Zustand nicht hinzunehmen und die alte Ordnung wieder herzustellen, um seinen Kindern ein großes Revier zu interlassen. Gleichzeitig sah er in sich den Vordenker für all die anderen Füchse, es ihm gleich zu tun.

 

Die Hühner bemerkten nicht die Einseitigkeit des Paktes. Sie blieben zwar den Fängen des Fuchses verschont, aber es hatte keinerlei Vorstellung und Weitsicht in ihrem Hühnerhirn einen Raum. Sie waren mit dem Komponieren und Schreiben der Lobpreisungen ausreichend beschäftigt und der nachfolgend ausgeführte Gesang ließ ihnen nur Zeit für Speiß und Trank.

 

So übersahen sie, wie der Fuchs auf ihrem Hühnerhof sich einrichtete. Hier eine Ecke für die Ablage von Gerätschaften, dort eine Kammer für Reserven. Galt es doch, seinen Plan umzusetzen: die Erweiterung seines Reviers.

 

Das Getier der Nachbarhöfe war ob der Aktivitäten auf dem Hühnerhof aufmerksam geworden. Sie überhörten zwar das Gegackere der Hühner, richteten ihre Aufmerksamkeit aber auf die dortigen Umtriebe des Fuchses.

 

Bei den Hühnern, die das Getier der Nachbarhöfe ansprach und auf die rätselhaften Umtriebe auf den Hühnerhof hinwies, fanden sie kein Gehör;  da sie bereits derart taub ob deren lauthalsen Bekundungen.

 

So sah das Getier der Nachbarhöfe sich selbst überlassen. Es gab aber mitnichten auf. Vorsorglich rüstete es sich für einen Kampf mit dem Fuchs, da es in der Umtriebigkeit des Fuchses Böses erahnte.

 

Der Fuchs nahm die Verteidigungsarbeiten des Getiers der Nachbarhöfe sehr wohl auf. Eine schnelle Umsetzung seines Plans war nun nicht mehr gegeben. So wartete er auf neue Gelegenheiten, die aber alle an der Aufmerksamkeit des Getiers der Nachbarhöfe scheiterten.

 

Der Fuchs sah sich gefordert, seinen Plan hier an diesem Ort nicht umzusetzen. Er machte sich auf die Suche nach einem neuen Hof mit dummen Hühnern. Er war sich ganz sicher, ihn zu finden.

 

Die sich heiser und taub gesungenen Hühner bemerkten von all dem nichts. Ihre Lobpreisungen über die Klugheit des Fuchses schallten aus allen Lautsprechern.

 

Und wenn sie nicht gestorben sind, schallen sie noch heute.