Der Aggressor

 

 

Eine Großmacht droht mit Krieg und alle, alle Kämpfer für die Weltverbesserung, auch Gutmenschen genannt,  jubeln. Unisono begrüßen sie dieses zu erwartende Ereignis. Hat deren Warten nicht etwas von fröhlichen Sportspielen? Die Bäckchen rot, dazu hübsch aufgereiht, warten sie auf die Kriegsmeldungen. Der gute Aggressor zeigt dem bösen Aggressor endlich, endlich, wo der Hammer zu hängen hat: in der Hand weit oben bei den Gutmenschen.

 

Im wohlerprobten Rhythmus werden Mahner, Einwender, Zweifler zu gerne als Faschisten tituliert, verbal niedergeknüppelt. Kein Raum für diese Faschisten!

 

Sie, die Gutmenschen, wollen von den anderen keinen Pieps hören, geschweige denn Einwände. Was zählt, ist ihre, der Gutmenschen Wahrheit. Da muss jede andere Wahrheit getötet werden; koste es, was es wolle. Dem Weltfaschismus hält man eben ganz mutig und selbstlos die Stirn hin. Vor der Stirn der Gutmenschen befinden sich zwar nur Tastatur und Monitor, aber immerhin ungefährlicher, als in Uniform und waffenstarrend irgendwo für den guten Aggressor im Dreck zu liegen. Das versteht jeder: ohne warmer gut eingerichteter Wohnung, vollem Kühlschrank, regelmäßigem guten Einkommen ist keine Kampfmoral aufzubauen.

 

Sie, die Gutmenschen, merken natürlich nicht, wie der gute Aggressor die Zeit nutzte, seine alleinige Wahrheit, seine potjemkinschen Dörfer aufzubauen. Der Aufbau ist irgendwie an ihnen vorbei gegangen, aber als sie die wunderschönen potjemkinschen Häuser im Stile der so gemütlichen Datschen sahen, zogen sie, die Gutmenschen, sofort ein. So, edel, stilvoll, geschützt und warm,  lässt sich nun im Verbund die Wahrheit des  guten Aggressors noch viel vehementer verkünden. Kann sich auch so Kollaboration zeigen?

 

Dabei wird von ihnen, den Gutmenschen, alles beiseite geschoben, was elendig, dreckig und menschenverachtend ist. Sie wurden wohlweislich vom guten Aggressor in akribischer Kleinarbeit darauf vorbereitet und merken kein bisschen, welch Lied sie im Chor darbieten. Wie denn auch, der Chorleiter, der gute Aggressor, probte mit ihnen, den Gutmenschen, in einem zugemauerten Raum fern aller Realität, allen Lebens.

 

Sie, die Gutmenschen, sind außerstande zu merken, es gibt gar keinen guten und keinen bösen Aggressor. Sie blenden vollkommen aus, dass irgendwann die Kugeln, die Bomben derart emotionslos sind und nicht unterscheiden können zwischen Gut und Böse;  es geschieht auf einmal alles nicht vor der Tastatur und dem Monitor, irgendein Chip ist wohl verschwunden. Es ist mörderische Realität.

 

Nachdem der Gutmensch sich aus seinem zerbombten Haus ohne Arm und Bein blutverschmiert herausgegraben hat, wird er voller Entsetzen sehen müssen, wie zerstört, elendig, mit Leichen gesät um ihn herum alles ist. Aber die Standarte aller Gutmenschen rettete er, hält sie, zwar etwas lädiert, aber immerhin, mit der noch einzigen vorhandenen Hand auf Krücken gestützt für jeden sichtbar gen Himmel.

 

Ein Gutmensch wird nie in der Lage sein zu erkennen, dass ein Aggressor keine klassifizierenden Adjektive trägt. Jeder  Aggressor ist immer menschenverachtend, hat immer nur seinen Vorteil, die Annexion mit dem Ziel noch größerer Erlangung von Reichtum und noch größerer  Macht, im Auge. Jeder Aggressor wird ganz akribisch darauf achten, diese Spirale endlos zu halten.

 

Ein Gutmensch wird nie in der Lage sein  erkennen, dass jeder Aggressor ihn dazu dringend benötigt. Wer soll denn sonst für seine, des Aggressors, Reichtums- und Machtmehrung sorgen. Kein Aggressor liegt dafür im Dreck und hört die Kugeln pfeifen oder gar die Bomben detonieren. Dazu ist doch der Gutmensch ganz feinfühlig in akribischer Kleinarbeit gedrillt worden. Das hierin von jedem Aggressor investierte Kapital muss sich doch irgendwann rechnen. Dankbar zahlt der Gutmensch zurück, ohne Arme, ohne Beine, mit toten Kindern und Freunden, ohne Dach über dem Kopf. Aber er, der Gutmensch, hat das zufriedene einmalige Gefühl, für den guten Aggressor gegen den bösen Aggressor alles verloren zu haben.

 

Der Schlechtmensch bekommt seinen wohlverdienten Lohn. Er hat dieses zufriedene einmalige Gefühl nicht und ist dazu ohne Arme, ohne Beine, mit toten Kindern und Freunden, ohne Dach über dem Kopf.

 

Strafe muss sein.