Im Müllerland

 

Es war einmal, wie so ständig, vor langer, sehr langer Zeit. Da gab es ein Königreich der Müllers, Müllerland genannt. Das Königreich wurde eine Zuflucht für alle Müller rundum und noch weiter entfernt.

 

Dem Reich stand ein König namens Müller vor, liebevoll von seinen Untertanen King der Müller genannt. Ihm zur Seite, für alle Tagesgeschäfte, fand sich ein Müller-Chancellor.

 

Im Laufe der Gezeiten wurde nun die Verwaltung des Müllerlandes bei den vielen Müllers sehr unübersichtlich. Dies sei an einem Beispiel erklärt. Rief jemand in den Straßen von Müllertown nach einem Thomas, schreckten umgehend Unzählige auf und fragten den Rufer nach seinem Begehr.

 

Um in dies Babelsche Gewirr etwas Ordnung zu bringen, hatte eines Tages der Müller-Chancellor eine bahnbrechende Eingebung. Er schlug dem King-Müller vor, einen Ukas zu erlassen, in dem angeordnet wird, jeder Einwohner des Müllerlandes hat zusätzlich zu seinem ersten Vornamen ein Charakteristikum zu verwenden. Dieses Merkmal kann jeder Müller sich eigenständig wählen, vorausgesetzt, es wird von einer Handvoll vorher von Amts wegen festgelegter Müller besiegelt.

 

Gesagt, getan. Der Ukas war geschwind erlassen, die Bürokratie des Müllerlandes den neuen Anforderungen strukturell und inhaltlich angepasst. Die bahnbrechende Idee in der Historie des Müllerlandes stand vor der Umsetzung.

 

Zuerst wurden alle Müller aufgefordert, deren Vorname mit einem A begann. So wurde aus einer Anna Müller eine Anna die liebliche Müller. Eine andere Anna erkor sich den Zusatz die Akkurate und mit der ausreichenden Anzahl an Müller-Befürwortern, durfte sie sich derart nennen.

 

Es kam aber so, wie es kommen musste. Einige Müller wählten sich Namenszusätze, die nicht die erforderlichen Zustimmungen aufwiesen. So lag es in der Hand der per Amt festgelegter Müller-Befürworter, einen Zusatz zu wählen und letztendlich festzulegen.

 

Eine Franziska Müller, sie wohnte wohl irgendwo im Osten des Müllerlandes, fand für sich den Zusatz die Kluge. Der sehr geharnischte Protest der Müller-Befürworter setzte der Phantasien dieser Franziska ein rasches Ende und legte fest, ab sofort wird in ihrem Pass Franziska die Alphadumme Müller stehen.

 

Eine Gerda Müller fand es ihr gemäß, sich Gerda Mutter Theresa Müller zu nennen. Dem hatten aber ihre Müller-Befürworter einiges an Taten entgegenzusetzen. Nach ausgiebiger Betrachtung der Aktionen dieser Gerda Müller wurde sie als Gerda die Bescheuerte Müller ins Register eingetragen.

 

Ähnlich erging es einem Gerhard Müller. Der Namenszusatz, der ihm außerordentlich zusagte, war der Geschädigte. Daraus wurde wegen des Vetos der Müller-Befürworter Gerhard der Dieb Müller.

 

Gar außerordentlich hart traf es einen Ralph Müller. Er sah sich als Aufklärer und hätte dies zu gerne vermerkt. Nach Sichtung seiner aufklärerischen Schriften und seiner sonstigen Umtriebe entschied aber die Kommission der Müller-Befürworter, er wird nunmehr Ralph der Lügner gerufen. Nebenbei. Alternativ stand noch Ralph der kurzbeinige Müller in der Diskussion.

 

Eine ähnliche Kunde kam aus einer südlichen Provinz des Müllerlandes. Ein Robert Müller war sehr empört. Er sah sich zu gerne als Robert der Autor Müller und war außer sich, als ihn die Müller-Befürworter als Robert der Spinner Müller einordneten.

 

War es ein Gezeter, als Wanda Müller aufgespürt wurde, die einmal im Nordrheinischen und falls erforderlich, ein anderes Mal in den Sandbüchsen des Müllerlandes ihr Zuhause angab. Rigoros machten die Müller-Befürworter deren Treiben ein Ende und stellten sie vor die Alternative, als Namen Wanda das Gespenst Müller oder Gerhard der Dieb Müller zu führen oder sie unterliegt der Streichung aus dem neuen Müller-Register. Es ist nicht überliefert, welchen Namen sie wählte. So kann vermutet werden, sie wurde gestrichen.

 

Der Streichung aus dem neugeschaffenen Register des Müllerlandes fielen einige Müllers zum Opfer. Es hatten sich gar viele im Laufe der Jahre durch eine nicht immer akkurate Bürokratie an Müllerverwaltungsleichen angehäuft. Erika, Sandra, mehrere Anonym, W. Gabriel, Waldefried, Jochen und wie sie alle hießen, wurden ganz simpel aus dem jetzt einmalig sauberen und auf dem tatsächlichen und neuestem Stand gebrachten Register des Müllerlandes gestrichen.

 

Soeben kam der Müller-Chancellor von einem Empfang des Königs, King der Müller, geschmückt mit dem höchsten Orden des Müllerlandes und überschüttet mit viel Lob, zurück. Nach dem erfolgreichen Ende der großen Lebensaufgabe, lehnte sich der Müller-Chancellor erschöpft aber sehr zufrieden zurück.