Mehr Drohungen von rechts gegen Journalisten

 

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Gewalt, Mobbing, Todesdrohungen: Journalisten, die über Rechtsextremisten berichten, müssen einiges aushalten. Einem Journalistenverband zufolge gibt es immer mehr Angriffe. Sinkt nach dem Mord an Regierungspräsident Lübcke die Hemmschwelle weiter?

 

Erst am Freitag wurde bekannt, dass der Westdeutsche Rundfunk eine Strafanzeige gestellt hat - wegen einer Morddrohung gegen Georg Restle, dem Leiter der WDR-Redaktion "Monitor". Restle hatte am 11. Juli in einem Kommentar für die "Tagesthemen" die AfD kritisiert und sie als "parlamentarischen Arm" der Identitären Bewegung bezeichnet.

 

"Das Schreiben ist dem Anschein nach dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen", erklärte eine WDR-Sprecherin. Ob der WDR Anzeige gegen Unbekannt oder eine Person gestellt hat und was genau der Inhalt des Drohschreibens war, darüber wurde zunächst nichts bekannt.

 

Morddrohungen aus rechtem Spektrum

Die Morddrohung gegen Restle ist kein Einzelfall. Die meisten der Übergriffe auf Medienschaffende sind dem rechten Spektrum zuzuordnen. Laut dem Europäischen Zentrum für Presse- und Medienfreiheit hatten im letzten Jahr von insgesamt 26 Übergriffen 22 einen rechtsextremen Hintergrund.

 

Laut Cornelia Berger, Geschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union, gibt immer mehr Angriffe. In vielen Fällen werde zu deutlich härteren Mitteln gegriffen als noch vor ein paar Jahren.

 

"Das geht von Todesanzeigen, die Kollegen in ihrer eigenen Zeitung von sich finden, über Dinge, die im Briefkasten landen. Die Methoden werden phantasievoller. Die Hemmungen sinken deutlich, Journalistinnen und Journalisten in der Ausübung ihres Berufs einzuschüchtern und zu bedrohen." Cornelia Berger, Geschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union

 

"Ich bin angegriffen worden"

Angriffe auf Medienschaffende passierten 2018 vor allem im Zuge von Pegida-Demonstrationen und der Ausschreitungen in Chemnitz. Die Politologin und Autorin Andrea Röpke recherchiert schon seit vielen Jahren zur rechtsextremen Szene in Deutschland. Immer wieder wird sie dafür auch angegangen und beschimpft. Um sich dagegen zu wehren, hat sich für sie besonders ein Mittel bewährt: Öffentlichkeit schaffen.

 

"Ich bin zusammen mit einem Kollegen angegriffen und dabei auch niedergeschlagen worden", sagt Röpke. "Das ist schon länger her. Aber da habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Öffentlichkeit wirklich ein ganz wichtiger Schutz für uns Journalisten ist. Das ist oft nicht leicht." Andrea Röpke, Journalistin

 

Röpke zufolge würde man sich oft auch lieber in sein Schneckenhaus zurückziehen und ein bisschen Anonymität genießen: "Genauso müssen wir aber auch darstellen, wie schwierig es zurzeit in Deutschland ist, über Rechts zu berichten."

 

Todesanzeigen mit Namen und Fotos

Doch längst nicht alle Journalistinnen und Journalisten gehen so offen mit Einschüchterungsversuchen um. Unter der Bedingung, anonym zu bleiben, berichteten mehrere Lokalreporter dem BR von massiven Bedrohungen, denen sie jeden Tag ausgesetzt sind. Einer von ihnen erhielt bereits Todesanzeigen mit Namen und Fotos sowie klaren Anspielungen auf den Holocaust. Beim Umzug in ein neues Redaktionsgebäude überprüfte er zuallererst die Fenster – aus Angst vor Angriffen. Zum eigenen Schutz habe die Redaktion deswegen Überwachungskameras installiert.

 

Auch Hanning Voigts, Redakteur der Frankfurter Rundschau, muss mit solchen Angriffen leben. Anfang des Jahres stand sein Name zum Beispiel auf einer sogenannten Feindesliste, auf der bundesweit 200 Menschen verzeichnet waren.

 

"Solche Fälle wie die von Walter Lübcke, also dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten, beschäftigen einen, weil man weiß, dass man – vielleicht lange nicht so stark wie Herr Lübcke – durchaus auch bei gewissen Rechtsradikalen bekannt und verhasst ist. Das nimmt einen natürlich auf eine Art mit." Hanning Voigts, Redakteur der Frankfurter Rundschau

 

Voigts sagt, dass ihn das ihn seiner Arbeit überhaupt nicht beeinträchtige: "Es motiviert mich eher, weil es meine feste Überzeugung stärkt, dass diese Szene gefährlich ist, und dass ihre rechtsradikale Ideologie in sich die Gewalt birgt."

 

"Viele Kollegen sind auf Identitäre Bewegung reingefallen"

Journalist Voigts sieht aber auch Versäumnisse bei den Medien selbst, wenn es um die Berichterstattung über Rechtsextremismus geht. Er findet, es müsse in vielen Fällen differenzierter berichtet werden. Besonders bei relativ neuen Akteuren wie der Identitären Bewegung seien viele Medien lange Zeit auf die Selbstinszenierung der Gruppierung hereingefallen.

 

"Also man hat lange Zeit diesen Diskurs der Identitären Bewegung übernommen: 'Wir sind neu, wir sind nicht rassistisch, wir sind so eine Art Greenpeace der Rechten.' Sowas ist alles gesagt worden von den Akteuren selber und diese Talking-Points sind durchaus übernommen worden in den Medien." Hanning Voigts, Redakteur der Frankfurter Rundschau

 

Andrea Röpke: Weniger sensationsgierig berichten

Und auch Andrea Röpke fordert die Journalistinnen und Journalisten dazu auf, in vielen Fällen weniger sensationsgierig über das Thema Rechtsextremismus zu berichten. Das ungenaue, aber Empörung verursachende Zitat, zum Beispiel auch mal wegzulassen: "Wir dürfen uns auch nicht so wehrlos dem gegenüberstellen, dass wir als Lügenpresse dargestellt werden, dass immer mehr Kolleginnen und Kollegen massiv bedroht werden, eingeschüchtert werden."

 

Aus Röpkes Sicht braucht es wirklich nachhaltige Konzepte, "wie wir geschickter, intelligenter, demokratischer damit umgehen, um als Medienvertreter auch nicht diesen ganzen Hass und die Hetze zu befeuern".