Neuanfang notwendig

 

Von Kai Kollenberg

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Zum Bericht des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz für 2018

Rund 65.000 Zuschauer feierten am 3. September 2018 ein Konzert in Chemnitz. "Wir sind mehr" war das Motto. Die stundenlange Feier sollte, daran muss man an dieser Stelle erinnern, die Toleranz hochleben lassen, ein anderes Bild von Chemnitz transportieren, als es sich in den Tagen nach der tödlichen Messerattacke auf Daniel H. gezeigt hatte. Im neuesten sächsischen Verfassungsschutzbericht bekommt dieses Konzert aber einen anderen Zungenschlag. Dank des Auftritts der Band "Feine Sahne Fischfilet" und Rufen wie "Alerta, alerta, Antifascista" wird das Konzert bei den Aktionen der autonomen Linken aufgeführt. Entschuldigung: Aber geht's noch?!

 

Jedes Jahr wird der neue Verfassungsschutzbericht begierig erwartet. Schließlich musste sich der sächsische Geheimdienst lange den Vorwurf gefallen lassen, dass er auf dem rechten Auge nicht nur ein wenig erblindet ist. Ein zweiter Untersuchungsausschuss des Landtags wird demnächst seinen Abschlussbericht dazu vorlegen, wie die Behörde die Aktivitäten des Nationalsozialistischen Untergrunds übersehen konnte. Seitdem hat stellenweise ein Umdenken beim Verfassungsschutz stattgefunden. Die fremdenfeindliche Bewegung Pro Chemnitz wird seit dem vergangenen Jahr beobachtet. Zudem hat der Verfassungsschutz relativ schnell nach den Ereignissen in Chemnitz konstatiert, dass die Rechtsextremen in Sachsen auf neue Art mobil machen und ins bürgerliche Lager drängen. Und doch schießt der Verfassungsschutz immer wieder Böcke.

 

Warum muss der jüngste Bericht das "Wir sind mehr"-Konzert in Chemnitz in ein falsches Licht rücken? Reicht es dafür aus, dass es dort "Antifascista"-Rufe gab, die Band "K.I.Z." ein Lied mit einem geschmacklosen Text sang und der Antifa dankte? Warum muss bei linksextremistischen Bündnissen das sächsische "Bündnis gegen das Polizeigesetz", in dem auch Grüne sowie Linke mobilisierten, prominent Platz finden? Man wird daraus nicht wirklich schlau. Natürlich muss ein Verfassungsschutz die gleichen Maßstäbe beim Links- und Rechtsextremismus anlegen. Aber in diesem Zusammenhang interessiert dann schon, was das eigentlich für Maßstäbe in Sachsen sind und wie sie konkret aussehen. Zumal ja selbst die Sicherheitsbehörden erklären, dass der Freistaat vor allem ein Problem mit Rechtsextremismus hat.

 

Der Verfassungsschutz spielt mit den neuen Patzern im Verfassungsschutzbericht seinen Kritikern in die Hände. Linke und Grüne fordern schon länger die Auflösung der Behörde. Mit dem neuen Bericht haben sie wieder ein paar Argumente mehr gewonnen, warum es womöglich diese Behörde gar nicht oder nicht mehr in dieser Form braucht. Vielleicht wäre solch ein Neuanfang auch gar nichts Schlechtes: ein Verfassungsschutz, der komplett neu aufgebaut wird und seine sächsischen Besonderheiten endlich hinter sich lässt. Die jetzige Behörde könnte von einem wie auch immer gearteten frischen Wind nur profitieren.

 

 

Kommentar:

 

Der sächsische Verfassungsschutzchef ist Burschenschaftsführer und im NSU-Prozess V-Mann Führer. Kurioserweise tauchen Burschenschaften im sächssischen  Verfassungsschutzbericht nicht auf. Im Bundesbericht schon.

 

Sachsen, immer wieder Sachsen. Die staatlichen Institutionen müssen von Rechten regelrecht durchsetzt bzw. übernommen worden sein. Verständlich, denn sie haben ja sonst keine Heimat, in Sachsen aber schon.

 

Nach den Landtagswahlen am 01. September 2019 in Sachsen (fiktiv) von der CDU:

„Wir müssen uns dem Wählerauftrag stellen und die Verantwortung tragen und deshalb eine Koalition mit der AfD eingehen. Sachsen muss regierbar bleiben.“

 

Wer wettet mit mir? 

 

Wanda Müller