Rassistische Taten nehmen zu
In Ostdeutschland täglich fünf Opfer rechter Gewalt
2018 registrierten Opferberatungsstellen allein in Berlin und den neuen Ländern über 1200 rechte Angriffe. Gerade in Berlin stieg die rechte Gewalt deutlich.
Von MATTHIAS MEISNER
Rechte Gewalttaten sind in Ostdeutschland auf besorgniserregend hohem Niveau verzeichnet worden. Das berichtete der Verband der Beratungsstellen für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) am Dienstag vor der Presse in Berlin. In Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wurden demnach im vergangenen Jahr 1212 rechts, rassistisch und antisemitisch motivierte Angriffe registriert.
In Ostdeutschland und Berlin wurden in 2018 täglich mindestens fünf Menschen Opfer rechter Gewalt.
Unter den 1789 direkt davon Betroffenen waren auch mehr als 250 Kinder und Jugendliche, so der VBRG. Rassismus sei dabei – wie schon in den Vorjahren – das bei weitem häufigste Tatmotiv. Zwei Drittel aller Angriffe (793 Fälle) waren rassistisch motiviert und richteten sich zu einem großen Teil gegen Geflüchtete, Menschen mit Migrationshintergrund und schwarze Deutsche. Weitere Betroffene rechter Gewalt seien häufig – vermeintliche – politische Gegnerinnen und Gegner.
Wegen Wahlen weitere Zunahme 2019 befürchtet
Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Anzahl der von den Opferberatungsstellen in Ostdeutschland und Berlin im Jahr 2018 registrierten rechten Gewalttaten insgesamt um rund acht Prozent: Gemessen an der Einwohnerzahl hat rassistische und rechte Gewalt in Berlin (8,6 Angriffe pro 100.000 Einwohner), Sachsen (7,8 Angriffe pro 100.000 Einwohner) und Thüringen (7,5 Angriffe pro 100.000 Einwohner) deutlich zugenommen. In Brandenburg (7 Angriffe pro 100.000 Einwohner), Sachsen-Anhalt (6,9 Angriffe pro 100.000 Einwohner) und Mecklenburg-Vorpommern (6 Angriffe je 100.000 Einwohner) hat sich rechte Gewalt auf einem hohen Niveau stabilisiert und ist im Vergleich zu 2017 leicht zurückgegangen.
"Für 2019 befürchten wir eine Zunahme rechter Gewalt insbesondere im Kontext der Landtagswahlkämpfe in Brandenburg, Sachsen und Thüringen", sagte Robert Kusche vom VBRG.
Opferberatungsstellen: Behörden-Zahlen nur Ausschnitt
Die Diskrepanz zwischen den PMK-Rechts Zahlen der Strafverfolgungsbehörden und den Zahlen der ostdeutschen Opferberatungsstellen nimmt trotz der jüngsten Reform der Definition für Politisch motivierte Kriminalität (PMK) weiter zu. In 2017 hatte das Bundeskriminalamt für das gesamte Bundesgebiet lediglich 821 rechte Hassgewalttaten festgestellt, während die Opferberatungsstellen in den ostdeutschen Bundesländern und Berlin im gleichen Jahr 1123 rechte Angriffe dokumentiert hatten. "Die offiziellen Zahlen geben nur das Hellfeld der angezeigten und korrekt eingeordneten Taten wieder – das ist nur ein kleiner Ausschnitt der wahren Bedrohung durch rechte Gewalt", sagte Matthias Quent, Soziologe und Direktor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena.
Quent forderte erneut, dass die Differenz von einer ständigen unabhängigen Expertenkommission untersucht werden soll. Dies gelte auch für die tödliche Dimension rechter Gewalt. Während Opferberatungsstellen von mindestens 183 Todesopfern rechter Gewalt seit 1990 ausgehen, erkennt das Bundesinnenministerium lediglich 84 Todesopfer an. Dazu gehört auch der 27-jährige Homosexuelle Christopher W., der am 18. April 2018 im sächsischen Aue von drei polizeibekannten Rechten zu Tode gefoltert und misshandelt wurde.