Wie in AfD: Bei "Querdenken" ist bitterer Streit ausgebrochen, mit Ballweg mittendrin

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von Alina Lackerbauer

 

Querdenken ist die wohl einflussreichste Bewegung im Lager der Corona-Skeptiker. Nun ist unter ihnen ein heftiger Streit ausgebrochen. Mittendrin ist Querdenken-Chef Ballweg.

 

Heiko Schrang ist Schriftsteller und einer der bekanntesten Gesichter der Querdenken-711-Bewegung. Bei den Großdemonstrationen in Berlin im August ist er als Redner aufgetreten, sein Youtube-Kanal hat fast 180.000 Abonnenten. Seine Ansichten haben Gewicht in der Szene der Corona-Skeptiker und Verschwörungstheoretiker. Etwas verworren äußert er sich nun zur Stimmung in der Querdenken-Bewegung. Seine Aussagen lassen tief blicken.

 

Querdenken-Redner erzählt von "Freidenkern, die übereinander herfallen"

"Die Hysterie und Nachbeben vom 29. August sind überall zu spüren", sagt Schrang in einer Sprachnachricht in seiner Telegram-Gruppe. Querdenken-Mitglieder seien sich "völlig uneins". Worauf das genau bezogen ist, sagt Schrang nicht. Zudem gebe es innerhalb der Bewegung "10 bis 20 Prozent, die sich als erwacht und Freidenker bezeichnen, die jetzt die Mistgabel rausholen und übereinander herfallen". Diese Mitglieder würden sich gegenseitig beschuldigen "ein Illuminat" oder "ein Satan" zu sein. "Das ist so tief, wie es nur sein kann", sagt er in der Sprachnachricht über die gegenseitigen Anschuldigungen in der Szene. Schrang kündigt an, sich erstmal eine Auszeit zu nehmen.

 

In der Szene ist ein Streit entbrannt: Auch Ballweg mischt sich ein 

Schrangs Aussagen zeigen, dass innerhalb der Querdenken-Bewegung ganz offensichtlich ein Streit ausgebrochen ist. Dabei spielen persönliche Animositäten eine Rolle, es scheint aber auch Unstimmigkeiten über die Strategie der Bewegung zu geben. In diesen Auseinandersetzungen sollen neben Schrang weitere prominente Redner sowie Querdenken-Gründer Michael Ballweg involviert sein, berichtet der "Tagesspiegel".  Demnach beleidigten sich Akteure der Bewegung zuletzt massiv gegenseitig.  Unter anderem soll ein Demo-Organisator einen Redner in einer SMS als "Idioten" beschimpft haben.

 

Laut "Tagesspiegel"-Bericht soll Thorsten Schulte, der genauso wie Schrang schon mehrfach auf Demonstrationen als Redner aufgetreten ist, beklagt haben, dass es "überhaupt keine Strategie" innerhalb der Bewegung gebe. Außerdem seien bei Querdenken "einige Falschspieler unterwegs". Ein wichtiger Akteur der Bewegung sei ihm in den Rücken gefallen.

 

Ballweg kontert auf Schultes Kritik: Sein Auftritt war "zu theatralisch"

Dem "Tagesspiegel" zufolge habe Querdenken-Initiator Michael Ballweg Schulte daraufhin kritisiert und sein Verhalten bei der ersten Berliner Demonstration angeblich als "zu theatralisch" bezeichnet. Außerdem habe er erklärt, es gebe keine "Dauerredeerlaubnis" für Redner auf der Bühne, was offenbar daraufhin deutet, dass ihm Schulte zu viel rede. Über Schultes Auftritt bei der Querdenken-Demo in Wien habe er, Ballweg, gehört, "dass das wohl nicht so dolle war".

 

Schulte wirft der Bewegung laut des "Tagesspiegel"-Berichts vor, dass sie die vergangenen Wochen nicht genutzt habe, sondern stattdessen "alles unternommen wird, um Momentum rauszunehmen". Er werde innerhalb der Bewegung mit "fadenscheinigen Argumenten" angegriffen: "Man hat mir vorgeworfen, ich hätte den Veranstalter bedroht, um den Auftritt von Kilez More durchzusetzen." Der Rapper Kilez More ist im August auf der Bühne im Tiergarten in Berlin aufgetreten. Er behauptet unter anderem, die Bevölkerung werde gezielt durch Kondensstreifen hinter Flugzeugen vergiftet, um die Menschheit zu dezimieren.

 

Von Querdenken blieb eine Antwort auf die Anfrage von FOCUS Online aus. Wegen der Flut an Nachrichten kommentiere man keine Nachfragen mehr.

 

Schulte: Letztes Gespräch mit Ballweg vor einigen Wochen

Auf Nachfrage von FOCUS Online teilte Schulte schriftlich mit, er habe seit 5. August nicht mehr mit Ballweg gesprochen. In dem letzten Telefonat mit Ballweg habe er diesen "eindringlich" gebeten, "alles gegen eine Spaltung zu unternehmen". Diese werde "jetzt sicher von außen in die Bewegung getragen", meint Schulte. Wenige Tage später sei er als Redner für die Demonstration in Dortmund ausgeladen worden. Am 9. August habe er aus der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" erfahren, dass er nicht mehr bei Querdenken sprechen würde.

 

Zuvor gab es laut Schulte Uneinigkeiten was die Strategie der Bewegung angeht. Ballweg und andere hätten bei der Großdemonstration Ende August in Berlin von der Idee eines "Friedensvertrags" und einer "verfassungsgebenden Versammlung" gesprochen – jedoch "ohne jede inhaltliche Zielsetzung". Mitte Juli habe er Ballweg einen Vorschlag vorgelegt. Ballweg habe ihm am 3. August die Unterstützung für den Vorschlag entzogen, so Schulte.

 

Die angespannte Lage in der Bewegung bezeichnet Schulte als "völlig kontraproduktiv". Er selbst sei beschuldigt worden, den Querdenken-Redner  Markus Haintz als "Satanisten" bezeichnet zu haben: "Dies ist falsch und dient wohl dazu, mich als Spalter darzustellen."

 

Streits erinnern an AfD

Die Situation in der Querdenken-Bewegung erinnert an die Streits in der AfD. Sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene gibt es bei den Rechtspopulisten immer wieder heftige interne Auseinandersetzungen. Zuletzt war Andreas Kalbitz der Grund. Eine Mehrheit des Bundesvorstandes hatte auf Betreiben von AfD-Chef Jörg Meuthen seinen Rauswurf aus der Partei beschlossen. Seitdem zieht sich ein Riss durch die Partei zwischen denen, die den Rauswurf befürworten und denen, die ihn ablehnen.