CORONA-DEMONSTRATION


 

"IMMER. ES LOHNT SICH IMMER ZU DISKUTIEREN"

CORONA-DEMONSTRATIONEN

Von Amna Franzke

https://www.zeit.de/campus/2020-12/corona-demonstration-querdenker-bayern-verschwoerungstheorie-protest/komplettansicht


 

Ein Schüler aus Niederbayern ergreift bei einer Querdenker-Demo das Wort. Erst denkt das Publikum, er gehöre dazu. Doch Adolf Stögbauer ist gekommen, um dagegenzuhalten.


 

Am ersten Dezemberwochenende protestierten etwa 100 Menschen im niederbayerischen Eggenfelden gegen die Corona-Maßnahmen. Es gibt ein offenes Mikro, jeder, der will, darf auf der Bühne sprechen. Mit dabei: der 18-jährige Schüler Adolf Stögbauer, der später ein Video von seinem Auftritt auf Instagram hochlädt.


 

Als sich Adolf bei der Querdenker-Demo auf die Meinungsfreiheit beruft, klatscht das Publikum noch. Doch nach ein paar Minuten merken die Demonstranten, dass der Schüler nicht auf ihrer Seite ist. Er ist gekommen, um sie umzustimmen. Die Menschen fangen an zu buhen, der Moderator unterbricht ihn, nennt ihn "manipuliert" und "Wortführer der weltumgreifenden Diktatur". Warum stellt sich ein 18-Jähriger der Querdenker-Bewegung entgegen?


 

ZEIT Campus ONLINE: Adolf, wie kamst du auf die Idee, eine Rede auf der Querdenker-Demo zu halten?


 

Adolf Stögbauer: Ich habe zwei Tage vorher durch eine Freundin von der Veranstaltung erfahren. Ich wusste sofort, dass ich dort sprechen will. Ich war wie elektrisiert. Auf dem Plakat stand, dass sich die Bewegung für freie Meinungsäußerung ausspricht, deshalb wollte ich die Chance nutzen, dort zu sprechen – als Kritiker. Wenn Querdenker so für die Meinungsfreiheit plädieren, dann werden sie wohl auch mit meiner Meinung klarkommen. Ich war sehr überrascht, dass es bei uns so eine Demo geben soll.


 


 

ZEIT Campus ONLINE: Warum?


 

Adolf: Ich weiß, das klingt ein bisschen voreingenommen, aber ich denke immer: Bei uns in Niederbayern ist die Welt noch in Ordnung. Ich bin mit der Einstellung zu der Demo gegangen: Hier kann es gar nicht solch crazy Verschwörungstheoretiker geben wie in Berlin oder München. Meine Freunde und ich haben uns in den letzten Monaten öfter Spiegel-TV-Dokus von den großen Demos in Berlin angeschaut. Was die Menschen dort sagen, ist mitunter total verrückt. Aber ich habe mich auch gefragt: Sind die wirklich so oder sind die Dokus vielleicht auch ungünstig geschnitten? Auch deshalb sind wir als Freundeskreis gemeinsam auf die Demo gegangen. Wir haben erst mal nur zugehört. Ich stand schon bei den ersten Wortbeiträgen mit offenem Mund auf dem Platz. Die sind wirklich so. Das hat mich noch mal mehr bestärkt, auf die Bühne zu gehen und meine Rede zu halten.


 

ZEIT Campus ONLINE: Wie stehst du zu der Bewegung?


 

Adolf: Ich finde die aktuellen Maßnahmen und Einschränkungen zur Eindämmung der Pandemie richtig. Deshalb stehe ich der Querdenker-Bewegung sehr kritisch gegenüber. In der Bewegung gibt es nachweislich Verschwörungstheoretiker und Rechtsextreme. Aber viele Demonstranten, die dort mitlaufen, tolerieren sie. Das Problem ist das Herdengefühl. Wenn man erst mal Teil einer Gruppe ist, dann ist es viel schwerer zu hinterfragen, was die Überzeugungen der Gruppe sind. Dann toleriert man auf einmal Dinge, die eigentlich überhaupt nicht der eigenen Meinung entsprechen, und läuft neben Rechtsextremen her. Das darf nicht sein.


 

ZEIT Campus ONLINE: Du sprichst das Herdengefühl auch in deiner Rede an. Du appellierst darin an die Menschen, sich nicht der Bewegung anzuschließen und sagst: "Verlassen Sie die Chatgruppen und andere Echokammern. Geben Sie Extremisten keinen Nährboden." Wen genau wolltest du ansprechen?


 

Adolf: Ich wollte zu den Leuten sprechen, die noch nicht so tief drinstecken. Wenn eine Person wirklich daran glaubt, dass diese Pandemie ein Vorwand für einen "großen Neustart" ist und Bill Gates Menschen chippen will, ist sie nur sehr, sehr schwer vom Gegenteil zu überzeugen.


 

ZEIT Campus ONLINE: Hast du schon mal auf einer Demo gesprochen?


 

Adolf: Nein, noch nie. Ich bin auch nicht Mitglied einer Partei oder einer politischen Jugendorganisation. Ich habe mich bisher nur als Schülersprecher engagiert. Zwei Jahre lang war ich Bezirksschülersprecher für die niederbayerischen Gymnasien. Ich war Teil einer lebendigen Debattenkultur. Ich muss sagen: Dieses Engagement hat meine Liebe für die Demokratie entfacht und vor allem auch die Liebe zu anderen Meinungen.


 

ZEIT Campus ONLINE: Wie meinst du das?


 

Adolf: Ich finde es unglaublich wichtig, dass Menschen verschiedene Meinungen haben. Das habe ich in dem Amt sehr zu schätzen gelernt. Ich habe gelernt, Kompromisse einzugehen und anderen zuzuhören. Heutzutage wollen viele Menschen einfach nur ihre eigenen Meinungen hören und hören anderen gar nicht zu. Aber der Sinn der Demokratie ist es ja, den goldenen Mittelweg zu finden. Das wird man nicht erreichen, wenn man immer nur auf sich selbst hört.


 

ZEIT Campus ONLINE: Dir geht es also nicht darum, dass es die Querdenker-Demos gar nicht geben dürfte?


 

Adolf: Nein, überhaupt nicht. Es ist ganz wichtig, dass die Menschen ihre Meinung äußern dürfen.


 

WOLLTEST DU PROVOZIEREN?

ZEIT Campus ONLINE: Wenn sich Menschen ohne Abstand und Maske versammeln, gefährden sie derzeit aber auch andere. Wo ist für dich eine Grenze erreicht?


 

Adolf: Man muss vorneweg sagen: Die Leute haben durchaus Abstand gehalten und die meisten hatten auch eine Maske auf. Später habe ich gelesen, dass es insgesamt drei Anzeigen gab gegen Menschen, die keine Maske anhatten. Ich stelle die Demos nicht grundsätzlich infrage, weil das Grundgesetz die Versammlungsfreiheit besonders schützt. Es ist wichtig, dass Menschen ihre Meinung sagen dürfen. Und es ist die Aufgabe der Ordnungsämter, Hygieneauflagen zu erlassen und abzuwägen, ob eine Demonstration das allgemeine Wohl gefährdet. Ich habe großes Vertrauen in diese demokratisch legitimierten Prozesse. Ich bin ehrlich gesagt froh, dass ich diese Entscheidung nicht fällen muss.


 

ZEIT Campus ONLINE: Du beginnst deine Rede mit einem Lutherzitat: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders." Und die Leute glauben erst mal, du gehörst zu ihnen. Wolltest du sie provozieren?


 

Adolf: Nein, ich wollte nicht provozieren. Aber ich hatte mir eine Strategie überlegt. Ich wollte zu Beginn offen lassen, wo ich stehe. Ich habe dann gesagt, dass wir alle hier im Namen der Meinungsfreiheit sind. Damit habe ich das Publikum dazu verpflichtet, mir zuzuhören. Mir, der einer anderen Meinung ist als sie. Ich habe erst später erfahren, dass der Kabarettist Florian Schroeder das genauso auch auf einer Querdenker-Demo in Baden-Württemberg gemacht hat.


 

ZEIT Campus ONLINE: Im Video sieht man, dass die Menschen am Anfang irritiert sind. Nach und nach rufen immer mehr dazwischen und werden lauter. Wie hat sich das für dich auf der Bühne angefühlt?


 

Adolf: Ich habe das als sehr provokant empfunden. Der Moderator hat mich immer wieder unterbrochen. Dann hat er sich auch noch über meinen Namen lustig gemacht, "arme Sau" hat er mich genannt, als er erfahren hat, dass ich Adolf heiße. Nicht den Inhalt, sondern die Person anzugreifen, ist die unterste Ebene einer Diskussion. In dem Moment wusste ich, dass der Mann keine Argumente mehr gegen mich hat.


 

" VIELE LEUTE HABEN ANGST VOR JUGENDLICHEN, DIE SICH ÖFFENTLICH AUSSPRECHEN." Adolf Stögbauer


 

ZEIT Campus ONLINE: Ich hatte den Eindruck, dass die Leute beeindruckt waren, dass ein junger Mensch sich da hinstellt und so eine Rede hält. Bevor der Moderator dich angreift, lobt er dich sogar für deine Rede. Welche Rolle hat dein Alter in der Wahrnehmung gespielt?


 

Adolf: Jemand hat auch reingerufen: "Note 1 für die Rede, Note 6 für den Inhalt." Das empfinde ich fast als Kompliment. Aber wenn es nach mir ginge, würde mein Alter gar keine Rolle spielen. Auf der Seite der Querdenker gab es überhaupt keinen jungen Menschen. Wenn Jugendliche in der Politik aktiv werden, werden sie oft sehr angefeindet. Das sieht man ja beispielsweise bei Greta Thunberg. Ich glaube, viele Leute haben Angst vor Jugendlichen, die sich öffentlich aussprechen. Sie fühlen sich besonders angegriffen, wenn ein junger Mensch ihr Verhalten anprangert.


 

ZEIT Campus ONLINE: Was ist danach passiert?


 

Adolf: Nach der Rede bin ich von der Bühne und an der Menge vorbei unter der Absperrung durchgetaucht. Dann sind gleich zwei Damen von der Querdenker-Bewegung auf mich zugekommen. Sie waren sehr freundlich. Eine hat mir gleich ausgedruckte Artikel in die Hand gedrückt und begonnen, mit mir zu diskutieren. Sie glaubt, es gebe keine Pandemie, das sei nur ein Vorwand der Finanzelite, einen Neustart der Wirtschaft herbeizuführen. Ich konnte sie nicht überzeugen, das hätte ich auch nicht erwartet. Aber ich habe die Artikel mitgenommen mit dem Versprechen, dass ich sie mir durchlesen werden. Das werde ich auch noch, wenn die Klausurphase vorbei ist. Ich finde es wichtig, den Gesprächspartner zu respektieren. Aber ich habe ihr auch ganz eindeutig gesagt: Für mich ist das Humbug.


 

ZEIT Campus ONLINE: Würdest du sagen, deine Rede war ein Erfolg?


 

Adolf: Ja. Ich will gar nicht arrogant oder eitel wirken. Aber ich habe noch nie bei etwas im Nachhinein so ein gutes Gefühl gehabt. Ich bin überzeugt, die Demokratie hat Recht. Ich habe mit reinem Gewissen gesprochen und hatte ein gutes Gefühl dabei, meine Meinungsfreiheit zu nutzen. Später habe ich das Video auf Instagram hochgeladen. Das hatte ich ursprünglich gar nicht geplant, aber ich wollte, dass meine Freunde, die nicht dabei sein konnten, die Rede sehen können. Daraufhin habe ich sehr viel positives Feedback bekommen von Jugendlichen, Eltern, ehemaligen Lehrern.


 

ZEIT Campus ONLINE: Hast du vor, das noch mal zu tun?


 

Adolf: Ich habe nicht geplant, am Wochenende auf eine Demo zu fahren und diese zu "crashen". Aber sollte es noch mal eine Veranstaltung in Eggenfelden geben und ich noch mal das Gefühl verspüre zu sprechen, werde ich das tun.


 

ZEIT Campus ONLINE: Würdest du nach deiner Erfahrung sagen: Es lohnt sich noch zu diskutieren?


 

Adolf: Immer. Es lohnt sich immer zu diskutieren, auch wenn Menschen einem nicht zuhören. Vielleicht dringt man bei einem durch.


 

ADOLF STÖGBAUER JUNIOR

18 Jahre alt, kommt aus einem kleinen Dorf in Niederbayern und geht in Eggenfelden zur Schule. Er war zwei Jahre lang Schülersprecher und Bezirksschülersprecher in Niederbayern.


 


 

Kommentar:


 

Ich weiß, ich weiß, so junge Mitmenschen haben keinerlei Lebenserfahrung, können noch manipuliert werden. Da sind die „reifen“ Mitmenschen gefragt, um diese von der Politikmafia Verblendeten aufzuklären.


 

Irgendwann wird auch Corona seinen Schrecken verloren haben. Was übrig bleibt, sind die Handvoll Menschen. Dann wird es spannend zu beobachten, welche Objekte deren Gemüt gebiert.


 

Wetten, und sie werden diese Objekte finden.


 

Wanda Müller