Experten besorgt: Corona-"Querdenker" rekrutieren jetzt Kinder


 

Von Lars Wienand


 

Sie manipulieren mit erfundenen Geschichten von Masken-Toten. "Querdenker" zielen nun voll auf den Nachwuchs. In einer geheimen Gruppe sammeln sie Kinder und Jugendliche.


 

Die drei Kinder wussten offenbar gar nicht, wie ihnen geschah. "Was sollen wir da?", fragten sie ihren Vater. Der hatte sie zu Mitgliedern der "Samuel Eckert Youngsters"-Gruppe auf Telegram machen wollen. Die Antwort an die Kinder hat er inzwischen in einem Video öffentlich gemacht: "Da trefft ihr die, die Euch die nötigen Argumente liefern, wenn ihr in der Schule das Dreckding absetzt." Ein "Dreckding" ist für den Vater die Maske, und der Mann heißt Wolfgang Greulich und organisiert den Kreuzzug gegen Masken in einem Luxus-Bus.


 

Im Kampf der Pandemie-Leugner spielen Kinder eine zunehmende Rolle. Querdenker-Gruppen planen, Flugzettel gegen Masken an Schulen zu verteilen. Im Kreis Groß-Gerau erteilte die Polizei deshalb bereits vier Aktivisten Platzverweise.


 

Der Stadtschüler*innenrat erklärte dazu: "Dass sich eine Bewegung, die derart mit Faschist*innen verbunden ist, an unsere Schulen traut, ist erschreckend." Die "Querdenker"-Bewegung versucht auch angesichts solcher Widerstände, unter den Schülern selbst Fuß zu fassen, und die Maskenfeinde-Gruppe für Minderjährige soll dabei helfen.


 

Falsche Angaben zu gestorbenen Kindern

Kinder sind von den "Querdenkern" bereits auf hässliche Art instrumentalisiert worden. Das liegt vor allem an Bodo Schiffmann. Er hatte in einem Video unter Tränen von drei toten Kindern "durch die Maske" erzählt und diverse Angaben gemacht, die Polizeidienststellen und Staatsanwaltschaften zurückweisen oder die sich nicht überprüfen ließen. In Deutschland sterben pro Woche jährlich im Schnitt etwa zwei Kinder zwischen einem und 15 Jahren, ohne dass sich die Todesursache genau ermitteln lässt.


 

Die unbelegte Behauptung der toten Kinder durch Masken sickert aber in die Köpfe: Es gibt mehrere von Querdenkern erstellte und verbreitete Interviews mit Schülern, in denen die Kinder diese Erzählung glauben und weitergeben. Der Kinderschutzbund hat deswegen inzwischen öffentlich widersprochen und erklärt: "Wir sind erschüttert darüber, dass eine Gruppe von Menschen den Tod von Kindern für ihre eigenen politischen Zwecke instrumentalisiert. Diese Menschen haben vieles, aber ganz sicher nicht das Wohl der Kinder im Sinn." Der Kinderschutzbund bietet bundesweit Anlaufstellen, es gibt auch die "Nummer gegen Kummer" für Kinder und Jugendliche.


 

Mehr als 140 Kinder und Jugendliche

Schiffmann nannte es inzwischen in einem Gespräch mit einem Schweizer YouTuber unter lautem Gelächter eine "Super Idee", mit verstorbenen Kindern zu täuschen. Zumindest kommentierte er in einem Video den Vorschlag, sich in Gegenwart anderer das Handy ans Ohr zu halten und so zu tun, als würde man gerade von toten Kindern erfahren. "Alles, was die Leute zum Nachdenken bringt" sei gut, sagte dazu auch Samuel Eckert.


 

Mit dieser Einstellung ist Eckert Gründer einer geheimen Telegram-Gruppe "Samuel Eckert Youngsters", der nach seinen Worten inzwischen mehr als 140 Kinder und Jugendliche angehören. Er sei angesprochen worden von jungen Leuten, die sich austauschen wollten, sagte er in einem Video. Die jungen Leute würden sehr engagiert eigene Ideen entwickeln, er nutzt auch Inhalte, die angeblich von den Jugendlichen seien, und liest sie vor. Fragen von t-online wollte Eckert ausschließlich in einem Live-Gespräch vor der Kamera beantworten.


 

In seinen Videos wirkt Eckert sehr smart. Er ist mit seiner charismatischen Art und seiner Erfahrung als Verkäufer und Prediger so etwas wie der Posterboy der "Querdenken"-Bewegung, viele seiner Anhänger reagieren verständnislos und wütend auf Kritik an ihm. Sie verteidigen ihn trotz seiner Aussagen, dass mehr Leid und Verzweiflung wünschenswert seien, weil es Menschen offen für das von ihm gewünschte "Aufwachen" mache.


 

Bei Interesse muss Ausweisfoto geschickt werden

In seinen nicht öffentlich zu findenden Kinder-Kanal kommt nur, wer zuvor an eine "Chrissi" ein Video von sich und eine Kopie von Schüler- oder Personalausweis schickt. Man wolle so verhindern, dass Erwachsene in die Gruppe gelangen. Diese Daten würden anschließend gelöscht, Einverständniserklärungen der Eltern bei unter 15-Jährigen aber aufbewahrt. Telegram ist von der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) mit "ab 18" eingestuft. Das führt aber nur dazu, dass bei aktivierten Jugendschutzfiltern die App nicht angezeigt wird.


 

Chrissi berichtet in einem anderen Kanal "Impfkritik", dass neben ihr drei weitere Administratoren den Kanal "überwachen und unterstützen". Bei "Impfkritik" hatte sie ganz lieb nachgefragt: "Ist das vielleicht interessant für eure Kinder?". Für Eckerts Kinderkanal wurde dort und in vielen Gruppen und auch bei anderen reichweitenstarken Pandemie-Leugnern geworben.


 

jugendschutz.net prüft

Das löste schnell Aufmerksamkeit und Empörung aus. Eckert wird inzwischen auf Twitter sogar als "Kinderfänger von Zug" beschimpft – in Zug in der Schweiz sitzen seine Firmen. Bei jugendschutz.net, der Stelle von Bund und Ländern zur Prüfung auf Verstöße gegen den Jugendschutz im Internet, sind diverse Hinweise und Beschwerden über den Kanal eingegangen.


 

Sehr schnell sei entschieden worden, das Angebot unter Fragen des Jugendmedienschutzes rechtlich zu prüfen, sagt Flemming Ipsen, Referent bei jugendschutz.net. Dabei dürfte es vor allem um mögliche jugendgefährdende oder entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte gehen.


 

Der Fall ist mit Unklarheiten behaftet: Ist die abgeschottete Gruppe ein "privater Kanal", und wie sehr kann dann jugendschutz.net überhaupt prüfen? In dem Fall beziehen sich die laufenden Untersuchungen bisher auf Äußerungen über die Jugendgruppe in anderen, öffentlichen Kanälen. Von Nutzern zur Verfügung gestellte Screenshots aus dem Kanal können nur sehr eingeschränkt genutzt werden, so Ipsen.


 

Das, was öffentlich zu sehen und zu hören war, hat auch die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Birgit Breuer-Radbruch irritiert. Sie ist "erschrocken darüber, wie Kinder hier scheinbar instrumentalisiert werden", sagt die Vize-Vorsitzende des Berufsverbands der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten.


 

Kinderpsychotherapeutin: Es gibt Ängste

Es gebe durchaus Ängste und Sorgen bei Kindern durch Corona. Homeschooling sei sehr belastend, weshalb der Verband auch Anfang Mai die schnellstmögliche Öffnung der Kindertagesstätten und Schulen für alle Kinder gefordert hatte. Sie habe aber in ihrer Praxis und von vielen Gesprächen mit Kollegen noch nie von Fällen gehört, in denen Kinder Angst vor Masken entwickelt hätten. Durch die unbelegten Behauptungen von toten Kindern durch Masken könne sich das ändern.


 

Kinder seien eigentlich anpassungsfähiger als Erwachsene. "Zugleich sind gerade unsichere Kinder und Jugendliche aber sehr auf der Suche nach Orientierung und laufen Gefahr, auf Menschen hereinzufallen, die ihnen Halt und 'Wahrheiten' zu vermitteln scheinen", sagt Breuer-Radbruch. "Wenn das in einem Umfeld passiert, wo eine Kontrolle durch Erwachsene unerwünscht ist und in der Diskussion jede Gegenmeinung ausgeschlossen ist, ist das nicht ungefährlich."


 

Ähnlich sieht es auch Religionswissenschaftler Michael Blume, Experte für Verschwörungsideologien. Der Antisemitismusbeauftragte des Landes Baden-Württemberg ist auch Betreiber eines Podcasts zu Verschwörungsideologien und intensiver Beobachter der QAnon- und Querdenken-Szene. "Das entwickelt sich in Richtung Digitalsekte, in der das Gefühl von persönlicher Nähe hergestellt wird." Querdenken-Gründer Michael Ballweg hat bei der Berliner Demo am 1. August den "QAnon"-Slogan ("Where we go 1 we go all") von der Bühne gerufen.


 

Land denkt an neue gesetzliche Regelung

Und nun gibt es den Eckert-Jugendkanal mit einer Administratorin, die nach Recherchen von t-online selbst QAnon-Inhalte geteilt und in eine entsprechende Gruppe gepostet hat: Blum nennt es "hochproblematisch, wenn in diesem digital-sozialen Umfeld Erwachsene in abgeschlossenen Räumen Minderjährige unter Ausschluss Erziehungsberechtigter an sich binden und manipulieren können". Er sehe "massive Jugend- und Datenschutzprobleme, die bis zu Ausbeutung und Erpressbarkeiten führen können".


 

Für den Fall, dass es für eine solche angeblich private Gruppe keine rechtliche Handhabe durch den Jugendschutz geben sollte, werde in der Landesregierung Baden-Württemberg bereits über mögliche neue gesetzliche Regelungen nachgedacht, sagte Blume zu t-online.


 

Entsteht eine solche Gruppe auf Facebook, gibt es eingespielte Kontakte etwa von jugendschutz.net, um Inhalte überprüfen und entfernen zu lassen. Bei Telegram ist das ganz anders: "Es gibt keinen Ansprechpartner und keinen Austausch, wir melden, aber es kommt überhaupt nichts zurück", sagt jugendschutz.net-Referent Ipsen. Telegram bietet zwar eine Meldemöglichkeit auf der Plattform und eine E-Mail-Adresse an – aber das seien schwarze Löcher.


 

Die Plattform mit Sitz in Dubai erklärt sich einfach für nicht zuständig: "Telegram- und Gruppen-Chats sind die Privatsache der jeweiligen Nutzer." Man nehme keine Anfragen dazu an. Lediglich terroristische Inhalte würden entfernt. Und der Verdacht dürfte bei einer Gruppe von Kindern und Jugendlichen so schnell nicht aufkommen. Zumal, wenn sie von ihren Eltern hineingesteckt werden.


 


 

Kommentar:

Nach dem doch sehr dünnem Auflauf am letzten Wochenende am Bodensee müssen die “Querschwurbler“ personell aufrüsten. Eigentlich eine Show am Bodensee zum Lachen. Kaum kommen ein paar Regentropfen, geht die Demobeteiligung gegen Null. Die Organisatoren haben sich noch nicht dazu geäußert, wieviele „Querschwurbler“ es tatsächlich waren. Die Polizei spricht von ca. 10.000 bis 11.000 Schwurbler. Mal abwarten, wann die Millionen Teilnehmer der Organisatoren kommen.


 

Bei den wenigen Menschenkettler frage ich mich, wie die sich auf Hörweite verständigt haben. *lach


 

Es bleibt zu hoffen, dass die Jugendschutzinstitutionen ein scharfes Auge auf diese Entwicklung werfen und die Politiker sich darum kümmern, wo vorhandene gesetzliche Lücken zu schließen sind.


 

Dem harten Kern der „antifaschistischen Krakeeler“ wird es wenig bzw. sogar gar nicht kümmern, wie Eltern ihre Kinder für ihre ureigensten Interessen der Verschwörungstheorien missbrauchen.


 

Wir haben in Deutschland die Nazijugend; jetzt kommt die „Querschwurblerjugend“ dazu. Ob die bald zusammen demonstrieren?


 

Wanda Müller