Forn Appel und‘n Ei

 

Anno zwölhundertundzopp rammten irgendwelche Siedler aus den germanischen und slawischen Ecken einige Baumstämme in den morastigen märkischen Boden, um dort ihre Hütten aufzustellen.

 

Zu den ersten Hütten gesellte sich eine Kirche und da die meisten Siedler aus dem viel älteren Kölln kamen, denn dort wurde es mittlerweile schon ganz eng, nannten sie ihr Ansammlung Neukölln.

 

Ich glaube, schon damals gab es dieses j.w.d (janz weit draußen).

 

Über die Jahrhunderte wurden es immer mehr Neuköllner und später Millionen Berliner.

 

Der olle Fritz, übrigens ein Schwabe, holte die Franzosen ins Land. Diese waren in vielen Bereichen der Wissenschaft und Kunst schon viel weiter als die Alteingessenen und brachten denen Kultur bei. Französische Lebensart eben.

 

Überreste davon kann jeder Tourist noch in manchem Kiez, wie Unter den Linden, der Museumsinsel, dem Nikolaiviertel und in den vielen Wirtshäusern, die in Berlin Kneipe, Spelunke aber auch Restaurant heißen, erleben.

 

Aber richtig rappelte es in Berlin, Neukölln wurde im Laufe der Tage zum Vorort, vor gut einhundert Jahren.

 

Deutschland einig Vaterland beschleunigte die Wirtschaft und die Arbeiter kamen in Scharen. Aus dem Schlesischen, den Sudeten, Polen, Westpreußen. Jetzt wurde es auf einmal eng in Berlin. Häuser mit bis zu sieben Hinterhöfen entstanden. Da dies immer noch nicht ausreichte, war so mancher froh über eine Schlafstelle. Sie teilten sich mit dem Mieter und seiner Familie, meistens sehr vielköpfig in der Berliner Stube und Küche, die Schlafstelle; nachts schlief Vadddern im Bett, danach kam der Schlafbursche und ruhte sich nach seiner Nachtarbeit aus. Oder auch umgekehrt.

 

Dazu wurden Kanickel auf dem Balkon fett gefüttert. Sie erhielten neben den raren Essensresten (wie oft gab es nur Stulle mit Brot) auch die mitgebrachten alten Stullen des malochenden Hausherrn. Daher auch der Name für alte Stullen - Hasenbrot.

 

Nun stelle sich dabei einjeder das vielfältige deutsche Gebrabbel vor. Es entstand der typische Berliner Dialekt, vorgetragen von jetzt Urberlinern.

 

Es war aber auch zum Überleben erforderlich, sich mit seinem Mund durchzusetzen. Ein bezeichnendes Szenario: das Plumsklo eine halbe Treppe tiefer und andauernd besetzt. Wenn es dann einem pressiert, hilft nur die Berliner Schnauze.

 

Ebenso in den vollbesetzten Bahnen. Geht das Aus- und Einsteigen nicht schnelle, dann hört man eben charmantes wie „He Olle, haste Kleister anne Beene?“ oder die deftige Variante „He Fatzke, musste nich an mich reiben. Ick bin nich de Olle, die liecht uff’n Kanapee bei dich zu Hause.“

 

Oder beim Fleischer, beim Koofmich, beim Kartenkauf. Wehedem, es drängelt sich jemand vor. „Denkste etwa, ick steh hier nach Schrippen an?“ ist noch das Gemütlichste.

 

Ja, ja, der Berliner Dialekt hat etwas Existentielles aber nie Böses. Zugereiste sehen es am Anfang sicherlich anders. Aber ganz schnell, nicht einmal ein Kind oder Kegel später, quatschen die auch so.

 

Ja, ick hab Sehnsucht nach dich. Sehnsucht nach’n Berch Kartoffeln innen Liter Soße zerquetscht. Nach dem vollgeschis… Trottoir. Nach dem Lärm vom Spielplatz im Hof, wo die olle Schulzen nach ihrer Jaqueline (bitte so sprechen, wie geschrieben!) brüllt.

 

Ja, Berlin, ick liebe dir und dit allet forn Appel und’n Ei.