Jan Böhmermann entlarvt Erasmus-Stiftung: „Endlich wieder Geld für Nazis“

 

VonMirko Schmid

https://www.fr.de/kultur/tv-kino/jan-boehmermann-afd-desiderius-erasmus-stiftung-zdf-magazin-royale-geld-fuer-nazis-steinbach-91042176.html

 

Jan Böhmermann zerlegt im ZDF Magazin Royale die AfD und ihre Desiderius Erasmus-Stiftung. Schonungslos. Auch im Wortlaut. Stichwort: Nazis. Die TV-Kritik.

 

Frankfurt - „Endlich wieder Geld für Nazis“. Was für ein Einstieg in, das sei bereits jetzt gespoilert, eine der besten Ausgaben des ZDF Magazin Royale seit Erfindung des ZDF. Nur: Wen meint Jan Böhmermann nur, wenn er von Nazis spricht? Und welches Geld meint er? Aufklärung folgt.

 

Manchmal, da gibt es Abende, an denen Jan Böhmermann die Abkürzung sucht. Und findet. Konkret heißt das: Abende, an denen er den zumeist eher seichten Kladderadatsch des ersten Drittels seines royalen Magazins eindampft. In der Regel schließt sich an diese Kurzversion des klamaukigen Einstiegs dann etwas an, das in seiner Relevanz sehr selten geworden ist im linearen Fernsehen. Ein Segen, dass es sich diesmal um einen solchen Abend handelt.

 

Das ganze Berliner Sonderiungsgedöns dampft er ein auf eine solalale Posse namens „Sondiflash“. Da geht es um verliebte Blicke von FDP-Generalsekretär Volker Wissing rüber zu SPD-Kollege Lars Klingbeil, die Umhängetasche von Grünen-Kollege Michael Kellner und natürlich kommen auch Annalena Baerbock, Robert Habeck, Olaf Scholz, CSU-Heckenschütze Markus Söder und sein CDU-Opfer Armin Laschet vor. Mit „ganz nett“ ist dieser Komplex ausreichend beschrieben.

 

Jan Böhmermann verzichtet im ZDF Magazin Royale fast auf einen Seitenhieb auf Sebastian Kurz

Aber dann. Vorweg: Jan Böhmermann verzichtet fast gänzlich auf Genugtuung bezüglich des österreichischen Umfragefriseurs mit Nebenjob Bundeskanzler, also bezüglich Wunderwuzzi Sebastian Kurz und dessen „türkiser Familie“. Das inzestuöse Verhältnis des gerade verglühenden Shootingstars Kurz und seiner Clique mit gewissen Medien hatte der Satiriker bereits Anfang Mai, also ziemlich genau fünf Monate vor Bekanntwerden der Korruptionsermittlungen der Staatsanwaltschaft, fein säuberlich filetiert (gerne hier anschauen).

 

So ganz verzichtet er aber natürlich doch nicht darauf. O-Ton Böhmermann: „Woher wusste Böhmermann, dass Österreich am Arsch ist? Ganz ehrlich: Das weiß außerhalb von Österreich jeder. Hallihallo.“ Das anschließende diabolische Grinsen sitzt. Und weil er es dabei belässt, schafft er einen zielsicher sitzenden, ultimativen Hieb auf Metaebene. So wie schon damals, Sie erinnern sich. Ibiza, die FPÖ, Koks und so. Da war doch was: „Du glaubst, du bist schlau, ich weiß, ich bin dumm. Leg du mal scharfe Bitches flach, ich schmeiß lieber Regierung um.“

 

Anstatt sich weiter an seinem zweiten vernichtenden Schlag gegen den rechts-rechts-konservativen Klüngel in Wien zu laben, wirbelt Jan Böhmermann lieber den nächsten politischen Schmutz auf. Schmutz, der seinen Finken hoffentlich möglichst bald mit einem ähnlich treffsicheren Bumerang ins perfide grinsende Gesicht zurückballert. Im Fadenkreuz: die Desiderius Erasmus-Stiftung.

 

Im ZDF Magazin Royale zerlegt Jan Böhmermann die Erasmus-Stiftung der AfD

Klingt langweilig? Oh welch Irrtum. Denn was dröge klingt, hat es fett in sich. Kurze Einordnung: Die „DES“ ist das parteinahe, pseudo-akademische Gruselkabinett der AfD. Wie „Böhmi“ schön aufbereitet, handelt es sich bei den parteinahen Stiftungen um Thinktanks, die mit Steuergeld zugekippt werden, das sie de facto frei Schnauze verjubeln dürfen. Bisher hat das niemanden so recht gejuckt. Obwohl es um viel Geld geht. Sehr viel Geld. Millionen Steuergeld.

 

Was die Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU), Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD), Heinrich-Böll-Stiftung (Grüne), Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP), Rosa-Luxemburg-Stiftung (Linkspartei) und Hanns-Seidel-Stiftung (CSU) bisher so mit ihren Steuermillionen angestellt haben, weiß außerhalb der Kaste politischer Nerds kaum jemand. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass die Namensgeber durch die Bank weg (zumindest in ihren Kreisen) höchst anerkannte Personen gewesen sind.

 

Vom ersten Kanzler der Bundesrepublik zur Legende der Sozialdemokratie, vom Autor eines der relevantesten Schriftstücke der deutschen Geschichte („Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ – Leseempfehlung mit Gruß Richtung Axel Springer) zum „Naumann-Kreis“-Gründer, von der Grande Dame der Arbeiterbewegung zum Begründer der CSU-Hegemonie in Bayern: Man kann diese Ikonen mögen oder nicht, ihre jeweilige Rolle als Namenspatronen der parteinahen Stiftungen erscheint folgerichtig. Ähnlich folgerichtig, folgt man Jan Böhmermann und seinen eingespielten Zitaten, verhält es sich mit Desiderius Erasmus.

 

Der Namensgeber der AfD-Stiftung Desiderius Erasmus laut Böhmermann: „Islamfeindlicher Antisemit“

Der Namensgeber der AfD-nahen Stiftung nämlich brillierte mit herrlich offenkundig widerlichen Denkansätzen. Böhmermann liefert Beispiele: „Erasmus von Rotterdam hegte eine tiefe Abneigung gegen das Judentum, die sich zum Judenhass steigerte“. Und: „Er widmete ein ganzes Buch der Frage, warum gegen die Türkei und ihren ‚bösartigen und kriminellen Mohamed‘ Krieg zu führen sei.“ Die Einordnung liefert der ZDF-Satiriker gleich mit: „Alright, das erklärt einiges. Ein islamfeindlicher Antisemit.“

 

Organisation Desiderius-Erasmus-Stiftung

Gründung 15. November 2017

Vorsitz Erika Steinbach

Rechtsform Eingetragener Verein

Die AfD-nahe Stiftung lässt Jan Böhmermann anschließend nicht davonkommen. Er zitiert Zeitungsartikel, in welchen es unter anderem heißt: „Warnung vor rechter Kaderschmiede“, „AfD-nahe Stiftung: Bündnis warnt vor rechter ‚Unterwanderung‘ im Bildungssektor“ und „Stärkung des Rechtsextremismus? Streit um Steuergeld für AfD-nahe Stiftung.“

 

Als ersten Artikel blendet Jan Böhmermann übrigens „Erasmus-Stiftung: Bund könnte AfD-nahe Stiftung mit Millionen-Betrag unterstützen“ ein. Doch dazu später mehr. Was alle Artikel – und auch das, was Jan Böhmermann anschließend aufzeigt – gemein haben: Es handelt sich um laut schrillende Alarmsirenen. Denn: Durch ihren abermaligen Einzug in den Bundestag stünde nun auch der AfD zu, dass ihre Stiftung mit Millionen von Steuergeldern überschüttet wird. Um damit, nun ja, Bildung zu betreiben. Es braucht wenig Fantasie, um sich die Art dieser „Bildung“ einer AfD-Stiftung vorzustellen.

 

Erasmus-Stiftung nahe der AfD: Jan Böhmermann zerstört Erika Steinbach

Wem diese Fantasie fehlt, dem sei ein Blick in die hier besprochene Ausgabe des ZDF Magazin Royale empfohlen. Es soll nicht zu viel verraten werden, nur: Namen wie Erika Steinbach (Striftungschefin), Götz Kubitschek und Björn Höcke spielen eine prominente Rolle. Was zum nächsten Punkt führt: Die Stiftungs-Millionen stehen in keinem Gesetz.

 

Der Bundestag beschließt sie einfach. Alle (vier) Jahre wieder. Irgendwo heißt es, dass verfassungsfeindliche Stiftungen außen vor bleiben sollen. Ob die Desiderius Erasmus-Stiftung verfassungsfeindlich ist? Am besten dazu die aktuelle Ausgabe des Magazin Royale gucken. Eine schaute jedenfalls gut hin: Karla Kolumna. Die nämlich verkleidete sich laut Böhmermann als Kellner und schlich sich ein ganzes Wochenende in einem Hotel im Rotlichtviertel Frankfurts bei einer Erasmus-Stiftungssitzung ein. Sie hörte Widerliches. Und lieferte Jan Böhmermann zum Beweis sogar Fotos davon.

 

Es bräuchte also nichts weiter, als den Mut der demokratischen Parteien im Bundestag, Millionen von Steuer-Euro, also Geldern, die Sie, liebe Leserinnen und Leser, von Ihrem hart verdienten Geld jeden Monat zumeist zähneknirschend abdrücken, eben nicht an diese Geisterbahn zu überweisen. An eine Truppe, die sicher kein Geld in Workshops zum Thema „Demokratie, Toleranz und die Grundlagen der FDGO“ pumpen wird. Sondern eher in die Ausbildung strammer extremer Rechter. Bisher ist von diesem Mut der Abgeordneten wenig zu hören gewesen.

 

Steuergelder für AfD-nahe Erasmus-Stiftung

Zu hören gewesen ist hingegen hier und da die Höhe der Millionensumme, um die es sich handeln soll. Im ZDF Magazin Royale wurde sie allerdings nicht genannt. Böse Zungen behaupten, dies könne daran liegen, dass in einem solchen Fall böse Briefe verschickt werden. Der eingangs von Jan Böhmermann zitierte Artikel „Erasmus-Stiftung: Bund könnte AfD-nahe Stiftung mit Millionen-Betrag unterstützen“ ist das beste Beispiel dafür.

 

ZDF Magazin Royale“ mit Jan Böhmermann

 

Staatliche Förderung für AfD-Stiftung“, ZDF, von Freitag, 8. Oktober, ab 23.00 Uhr. Im Netz: ZDF Mediathek.

 

Was aber ist der Grund für dieses restriktive Vorgehen? Nachfrage im Umfeld der Bildungsstätte Anne Frank. Es sei eine „billige Masche der AfD“, Redaktionen einzuschüchtern, indem „ihr Anwalt mit Klagen droht“. Und: „Außerdem ist das ein Geschäftsmodell. Die AfD finanziert sich mit Abmahnungen“. Eine Partei also, die immer wieder laut Meinungsfreiheit ruft, soll demnach gegen die Pressefreiheit einen Anwalt an die Front schicken? Im britischen Original der Serie „House of Cards“ hat die Hauptfigur Francis Urquhart einen Lieblingssatz: “You might very well think that - I couldn‘t possibly comment.”

 

Mal ein direktes Wörtchen an Jan Böhmermann und seine heute wieder bockstarke Redaktion: Der Autor dieser Zeilen fände es durchaus von der Kunstfreiheit gedeckt, würde sich das Magazin Royale ganz zufällig auch dieses Thema einmal näher anschauen.

 

Jan Böhmermann nennt AfD und Erasmus-Stiftung im ZDF Magazin acht Mal „Nazis“

Aber Jan Böhmermann war mit der AfD noch nicht fertig. Oder vielmehr: die brillante Twitter-Nutzerin @souzo1910. Die nämlich (Selbstbeschreibung: „Stolze Hunde Mama/ Antifaschist/ Sarkastische Nervensäge mit schrägem Humor“) fasste im Anschluss an diese denkwürdige Folge des ZDF Magazin Royale zusammen: „Steinbach dachte bei der Gründung der AfD wohl auch erst, es sei ihr feuchter Traum. Geil! Endlich wieder Nazis! Stabile Leistung Böhmi, die AfD im direkten Bezug achtmal Nazi genannt. Kann man nicht oft genug wiederholen.“

 

 

Also, bei aller kritisch-journalistischen Distanzierung und als reines Zitat des Jan Böhmermann: Für den Satiriker handelt es sich bei der AfD und ihre Stiftung um „Nazis, Nazis, Nazis, Nazis, Nazis, Nazis, Nazis“ und: „Nazis“. Um es erneut mit dem herrlich bösartigen Francis Urquhart zu sagen, Herr Böhmermann: „Sie mögen das so sehen, aber ich kann es unmöglich kommentieren!“ Herz, Faust, zwinkerzwinker. (Mirko Schmid)